Karten-Streit bremst Ladesäulen-Ausbau

Kreditkartenzahlung an E-Ladesäulen: Streit bremst Ladesäulenausbau aus

Die Bundesregierung will die Infrastruktur für das Stromtanken von Elektroautos zügig ausbauen – so weit, so löblich und auch dringend erforderlich. Nun ist aber eine Diskussion darüber in Gang gekommen, wie die Autofahrer an der Stromladestelle zahlen sollen: Darf die herkömmliche Kreditkarte wie üblich genutzt werden, oder soll es ausschließlich digitale Lösungen per Smartphone geben? Letzteres wünschen sich die Energieversorger, während die Banken als Emittenten der Kreditkarten und Nutznießer der Zahlungen die traditionelle Zahlweise beibehalten wollen. Zumindest parallel müsste sie weiter möglich sein, finden sie. Da aktuell keine Einigung in Sicht ist, wackelt die wichtige Verordnung.

Corona-Konjunkturpaket: Ausbau der Ladeinfrastruktur auf schnellstem Weg

Die Koalition war sich darüber einig, dass alles ganz schnell gehen solle: Die Ladeinfrastruktur für Elektroautos müsse beschleunigt werden. Sie sei eine essenzielle Voraussetzung, um die E-Mobilität zu fördern. So beschlossen es Union und SPD bei der Ausarbeitung ihres Corona-Konjunkturpakets im Sommer 2020. Die Krise lasse sich unter anderem durch grüne Infrastrukturen überwinden. Immerhin schaffen solche Investitionen Arbeitsplätze und kurbeln die Wirtschaft insgesamt an. Ein Fokus lag dabei auf einem einheitlichen Bezahlsystem für Ladesäulen. Dieses müsse zügig umgesetzt werden, hieß es im Juni 2020, als die Bundesregierung das Paket beschloss. Der Entwurf für eine neue LSV (Ladesäulenverordnung) kam aus dem Wirtschaftsministerium, er war im November 2020 fertig. Indes blieb es bei diesem Entwurf. Hintergrund: Hinter den Kulissen brach ein skurriler Streit aus. Er drehte sich um die Frage, wie einheitliche Bezahlsysteme beschaffen sein sollen. Genügen rein digitale Lösungen via Smartphone? Sie sind schon weit verbreitet. Doch wäre es nicht sinnvoll, auch die traditionellen EC- und Kreditkarten als Zahlungsmittel an E-Ladesäulen zuzulassen? Immerhin sind sie gängige Zahlungsmittel hierzulande und weltweit (also auch für ausländische E-Auto-Fahrer, die durch Deutschland fahren). Kann man sie an der E-Ladesäule einfach außen vor lassen?

Streit zwischen Banken und Energieversorgern

Nein, sagen die deutschen Geldinstitute zum Verzicht auf Kartenzahlungen an der E-Ladesäule. Sie arbeiten schon seit dem Spätherbst 2020 unter Führung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes auf eine konventionelle Kartenlösung hin. Der Verbandspräsident Helmut Schleweis stellte in einem Schreiben an Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) klar: E-Auto-Fahrer, die in Deutschland unterwegs sind, sollten uneingeschränkt – also mit jedem gängigen Zahlungsmittel – an den Ladesäulen tanken können. Schleweis verwies dabei auf sogenannte „Ad-hoc-Ladevorgänge“, die spontan erfolgen und von vielen Fahrern mit Karte bezahlt werden dürften. Ein Verzicht darauf sei „einer gesellschaftlichen Verankerung von E-Mobilität keinesfalls dienlich“. Die Stromwirtschaft jedoch intervenierte ihrerseits für das genaue Gegenteil bei der Bundesregierung. Ihre Vertreter schrieben im Frühjahr 2021 an den Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sowie an den Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Sie verwiesen darauf, dass kaum jemand die Möglichkeit einer spontanen Aufladung benötige. Dieses Angebot werde kaum genutzt. Bestenfalls ausländische Fahrer müssten bisweilen mit Kreditkarte bezahlen, wenn sie in Deutschland unterwegs seien. Es handle sich eher um eine Backup-Variante, also eine Absicherung, falls rein digitales Bezahlen mit dem Smartphone nicht funktionieren sollte, so der Branchenverband BDEW. Ihm sprangen mehrere Energieversorger bei. Sie verwiesen darauf, dass die von der Kreditwirtschaft geforderten „analogen“ Kartenlesegeräte bei geringem Nutzeffekt die Ladesäulen um ein Zehntel verteuern dürften, was absolut unverhältnismäßig sei. Gleichzeitig widersprächen sie der Digitalisierungsagenda. Immerhin setzten sich die digitalen Bezahlsysteme durch, sodass analoge Kartenlesegeräte schon in wenigen Jahren ein Relikt vergangener Zeiten sein dürften. Es gibt unter Experten tatsächlich die Diskussion, wie lange Kreditkarten überhaupt noch existieren werden – wo doch viele Menschen schon Onlinebanking vom Smartphone aus betreiben. Die Kreditwirtschaft hingegen widerspricht. Sie rechnete vor, dass die Kartenlesegeräte keinesfalls zu teuer seien. Ab vierstelligen Stückzahlen an neuen Ladesäulen würde die Ausstattung damit pro Ladesäule wahrscheinlich für weniger als 300 Euro möglich sein. Da sich der Markt rasant entwickelt, dürften die Preise allein durch den Wettbewerbsdruck sehr schnell fallen. Auch seien Kreditkarten nicht analog: Sie würden heute schon an Supermarktkassen kontaktlos und bis zum eingestellten Betrag des Händlers sogar ohne PIN funktionieren. Dieser Betrag liegt häufig zwischen rund 25 und 50 Euro. Das genüge, so die Bankenvertreter, um eine Ladung Strom zu tanken.

Was steckt hinter dem Streit?

Der Streit, der den Zeitplan für die Ladesäulenverordnung wackeln lässt, wird von Interessen getrieben. Die Banken verdienen, wenn ein Kunde mit einer von ihnen emittierten EC- oder Kreditkarte bezahlt. Für den Kunden ist der Vorgang kostenlos, doch der Händler führt eine kleine Gebühr an die Bank (oder Kreditkartengesellschaft) ab. Die Stromwirtschaft hingegen hofft, dass die E-Auto-Fahrer künftig direkt mit ihrem Stromversorger, der sie auch daheim mit Strom beliefert, einen Vertrag über den Bezug von Ladestrom abschließen, den sie dann per Smartphone an der E-Ladesäule bezahlen. Das könnte zu interessanten Geschäftsmodellen führen, etwa in der Art, dass der Kunde ein Stromkontingent für den Haushalt und das elektrische Fahren bucht, Rabatte erhält, gebunden wird etc. pp. Natürlich erhalten die Stromversorger auch von der Tankstelle (oder dem Ladesäulenbetreiber) das Geld, wenn sie dorthin Strom liefern, doch das scheint weniger lukrativ als direkte Verträge mit den Autofahrern zu sein. Da die E-Mobilität an Fahrt aufnimmt, entwickelt sich hier ein Milliardenmarkt, um den natürlich heftig gestritten wird.

Folgen für die LSV

Der Streit hat bedauerliche Folgen: Die Ladesäulenverordnung dürfte auf sich warten lassen (Stand: 1. Mai 2021): Das monierte kürzlich auch der Stromverband BDEW. Eigentlich hätte sie bis zum 27. April 2021 beschlossen sein sollen, doch die Kontrahenten sind sich immer noch nicht einig. Aus Regierungskreisen hieß es zuletzt Ende April 2021, dass sich die von der Kreditwirtschaft geforderte Lösung (auch das Zahlen mit EC- und Kreditkarten zu ermöglichen) wahrscheinlich durchsetzen werde. Die Details seien jedoch immer noch abzuklären. Kritik an der Verzögerung kommt von einem dritten Player, nämlich dem Autobranchenverband VDA. Dieser fand die bisherige Verordnung, die auch Kartenzahlungen zuließ, vollkommen in Ordnung. Es müsse nun schnell gehen, so die Automobilexperten: Man könne nicht E-Autos bauen und ihre Anschaffung auch staatlich fördern, aber gleichzeitig wegen eines haarspalterischen Streits die Ladeinfrastruktur durch eine verzögerte Verordnung ausbremsen.